sklaverei

Sage mir Bruder, hältst du deine Sklaven für Menschen?

 

August von Kotzebue, Die Negersklaven


Will. – "Sage mir Bruder, hältst du deine Sklaven für Menschen? – ich wette, diese Frage kommt ihm gar nicht seltsam vor."

John. "Ich behandle sie wie Menschen."

Will. (spöttisch) "Wirklich?"

John. "Ich gebe ihnen zu essen und zu trinken."

Will. "Das gibst du deinen Hunden auch."

John. "Sie sind auch nicht viel besser als Hunde. Glaube mir, Bruder, es ist eine eigene Rasse zur Sklaverei geboren." 

Will. "Wo ist das Zeichen, mit dem Gott sie zu Sklaven stempelte?"

John. "Sie stammen von Kain ab, sie sind schwarz, weil ihr Stammvater der erste Brudermörder war."

John. "Sie sind spitzbübisch, boshaft und dumm. Sie erkennen selbst die Überlegenheit unseres Geistes, und folglich die Gerechtigkeit unserer Herrschaft."

Will. "Sie sind dumm, weil Sklaverei jede Kraft der Seele zermalmt; sie sind boshaft, aber nicht genug gegen euch. Sie lügen, weil man keinem Tyrannen die Wahrheit sagen muss. Sie erkennen die Überlegenheit unseres Geistes, weil wir sie in ewiger Unwissenheit erhalten; die Gerechtigkeit unserer Herrschaft, weil wir ihre Schwäche missbrauchen. Oh ihr habt alles getan, um diese Unglücklichen herabzuwürdigen, und dann beklagt ihr euch noch, dass sie dumm und boshaft sind."

John. "Aber die Neger wurden als Sklaven geboren?"

Will. "Falsch! Kein Sklave wird geboren. […]"

John. "Aber wenn nun der Neger sich selbst verkaufte? Er ist Herr seines Lebens, warum nicht auch seiner Freiheit? Er selbst bestimme den Preis."

Will. "Die Freiheit des Menschen hat keinen Preis."

 


Von Michelle Kowal und Vanessa Trninic

 

 

SKLAVEREI

 

In seinem Drama Die Negersklaven, das August von Kotzebue 1796 publiziert, werden fundamentale Fragen zur moralischen und ethischen Vertretbarkeit der Sklaverei gestellt. Legitimiert der wirtschaftliche Vorteil einer Nation die Ausbeutung einzelner Menschen? Wer bestimmt den Wert menschlicher Freiheit, Würde und Selbstbestimmtheit? Ist Freiheit käuflich?

 

Kotzebue thematisiert die Bedeutung von Freiheit und Selbstbestimmung im Kontext der transatlantischen Sklaverei aus verschiedenen Perspektiven, indem er die unterschiedlichen Ansichten zweier Brüder gegenüberstellt. Als Plantagenbesitzer zieht John persönlichen Nutzen aus der Sklavenhaltung. Er legitimiert sein Handeln auf moralisch-ethischer Ebene dadurch, dass die Sklavenhaltung sein naturgegebenes Recht sei. Aus humanitärer Sicht sei sein Verhalten nicht verwerflich, da er die elementaren Grundbedürfnisse seiner Sklaven erfülle. Gleichzeitig dehumanisiert er die Sklaven und setzt sie mit Tieren gleich. Er schreibt ihnen negative Attribute zu, charakterisiert sie als minderwertig und behauptet, dass ihre Rolle als Sklaven seit ihrer Geburt festgelegt sei. Sein Bruder William plädiert gegen diese Rassenideologie und die inhumane Ausbeutung der Sklaven. Er widerlegt die rassistische Argumentation seines Bruders und betont, dass kein Mensch als Sklave geboren wird. Keine ökonomische Entwicklung und keine Glaubensüberzeugung rechtfertigen es, Menschen ihrer Freiheit zu berauben.

Fragen nach den Grundrechten, der Würde und Selbstbestimmung der Menschen sind auch heute, über 200 Jahre nach der Veröffentlichung von Kotzebues Drama von politischer und kultureller Relevanz. Mit dem Ziel, die Menschen auch in Zukunft wirksam vor Sklaverei und Ausbeutung zu schützen, haben der Völkerbund, die Vereinten Nationen und verschiedene Menschenrechtsor­ganisationen rechtsverbindliche Abkommen verabschiedet. 

 


Das Verbot der Sklaverei und des Sklavenhandels ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Konkret heißt es in Artikel 4:

 

„Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen ihren Formen verboten.“

 

Darüber hinaus ist in Artikel 3 festgelegt, dass jedes Individuum „das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“ hat.

Die persönlichen Freiheitsrechte eines Menschen sind nicht quantifizierbar und können nicht mit einem konkreten Preis versehen werden – sie sind unantastbar und universell. Obwohl sich unser Gesellschaftsbild gewandelt hat und die Wahrung der Menschenrechte zunehmend an Bedeutung gewinnt, gibt es immer noch Fälle, in denen Opfern moderner Sklavereiformen ihre Rechte vorenthalten werden. Schätzungen zufolge sind ungefähr „50 Millionen Menschen“ Opfer der modernen Sklaverei, davon sind „28 Millionen Menschen in Zwangsarbeit und 22 Millionen in Zwangsehen gefangen.“ Die Zahl der Betroffenen ist alarmierend.

 

Obwohl viele von uns die Folgen kennen, nehmen wir sie stillschweigend in Kauf und tragen zur Aufrechterhaltung struktureller und moderner Formen der Sklaverei bei. Wir finanzieren Ausbeu­terbetriebe durch verantwortungsloses Konsumverhalten. Jedes Mal, wenn wir ein unethisch und unökologisch produziertes Konsumgut erwerben, verschließen wir die Augen vor den Menschen­rechtsverletzungen in den Produktionsstätten. Es obliegt unserer moralischen Pflicht, etwas ge­gen die moderne Sklaverei zu unternehmen. In diesem Zusammenhang hat der InterAction Council im Jahr 1997 eine Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten empfohlen.In Artikel 2 der Menschenrechte wird folgendes angeführt:

 

„Keine Person soll unmenschliches Verhalten, welcher Art auch immer, unterstützen, vielmehr haben alle Menschen die Pflicht, sich für die Würde und die Selbstachtung aller anderen Menschen einzu­setzen.“

 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten zu helfen. Zunächst einmal ist es wichtig, aktiv über das Thema zu sprechen und nicht stillschweigend wegzusehen. Indem man andere Menschen auf die Problematik aufmerksam macht, können weitere Personen sensibilisiert werden. Alle von uns können darauf achten, nachhaltige Konsumgüter zu kaufen, die mit entsprechenden Siegeln ausgezeichnet sind. Ferner besteht die Möglichkeit, sich bei verschiedenen Projekten, Petitionen und Organisationen zu engagieren, um denjenigen zu helfen, die Opfer moderner Sklaverei geworden sind. Solidarisch hat man die Macht, die Sicherung der Freiheit und Gleichheit aller Menschen zu garantieren. Vereinigt ist man stark.