Weltbürgertum Weiterdenken: Wer sind WIR?

"Weltbürgertum weiterdenken: Wer sind WIR?" ist ein gemeinsames Projekt der Christoph Martin Wieland-Stiftung und der Universität Konstanz (Fachbereich Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften). Dem Projekt ging ein Hauptseminar zum "Kosmopolitismus" (Weltbürgertum) voraus, in dem Wieland (1733-1813) als bekennender Weltbürger thematisch den Aufschlag machte. In Streifzügen folgten schlaglichtartig weitere Autor:innen durch die Jahrhunderte, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Nicht zuletzt beschäftigten sich die Studierenden auch mit der amerikanischen Philosophin Martha Nussbaum, die in ihrem 2020 erschienenen Werk "Kosmopolitismus. Revision eines Ideals" neue Akzente setzte. Ausgehend von Wielands Überlegungen erzählen die Studierenden in Videos von ihrer Perspektive auf den Kosmopolitismus und wollen damit zum Nachdenken anregen und zur Diskussion einladen.   

00: Zum Projekt: Wer sind WIR?

Die Idee des Weltbürgertums erlebt im 18. Jahrhundert eine Konjunktur und ist noch heute eine reizvolle Vorstellung. Der Dichter Christoph Martin Wieland (1733-1813) trug maßgeblich zu ihrer Verbreitung bei. Doch wo stehen wir heute? Texte und Sprecherinnen: Kerstin Bönsch und Sarah Seidel (Initiatorinnen des Projekts).   


01: Wir: in der Krise

Dass wir weltweit miteinander verbunden sind, zeigt sich an globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel oder der Migrationspolitik. Die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum setzte 2020 in ihrem Buch "Kosmopolitismus. Revision eines Ideals" neue Akzente. Studierende erläutern, was sie davon halten. Text: Ylenia Calzetta, Miriam Grünewald, Elisabeth Isenko, Laura Zimmer, Melina Zimmermann (Universität Konstanz); Sprecherinnen: Ayla Längerer und Charlotte Wurm (adk-Ulm) 


02: Wir: sind alle gleich?

Sind wir alle gleich? Haben wir alle die gleichen Rechte? Und sind Menschenrechte eine Selbstverständlichkeit? Diesen Fragen widmen sich die Studierenden rund um den Text der Politologin Seyla Benhabib. Text: Patrick Burt, Bastian Eckarth, Josephine Karall, Florian Reichl, Agustina Schneider (Universität Konstanz), Sprecher:in: Samuel Merold und Leonie Hassfeld (adk-ulm)



03: Wir: und die anderen

Schon mal was von Essenzialismus gehört? Nein? Aber bestimmt schon mal damit zu tun gehabt!  Kwame A. Appiahs Buch "Identitäten. Die Fiktionen der Zugehörigkeit" (2021) ist die Grundlage für Überlegungen zu Identitäten, Klischees und Klischees von Identitäten. Text: Tom Fohler und Lea Schmalfuss (Universität Konstanz); Sprecher: Tom Fohler und Stefan Gritsch (Universität Konstanz)


04: Wir: hier und dort

Was bedeutet es eigentlich, wenn wir vom 'Ausland' reden? Und wann fühlen wir uns fremd? Text: Oliver Orend (Universität Konstanz), Sprecher: Oliver Orend und Stefan Gritsch (Universität Konstanz)



05: Wir: Weltreisende

Bis vor Kurzem konnte man weitestgehend unbeschwert durch die EU reisen. Mit Corona ist das anders geworden. Was bedeuten Grenzen in Bezug auf das Weltbürgertum? Text: Sarah Hermann und Jana Hensler, Sprecherin: Charlotte Wurm (adk-ulm)



06: Wir: auf der inneren reise

Sind Kosmopoliten Weltenbummlerinnen oder eher Menschen, die fähig sind, durch ihre eigene Brust zu reisen? Maria Campmans geht der Spur von Novalis und Wieland nach und regt dazu an, sich auf die Suche nach dem eigenen ICH zu machen. Text: Maria Campmans, Sprecher:innen: Maria Campmans und Stefan Gritsch (Universität Konstanz)

07: Wir: in der Pandemie

Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen wurden wir auf uns selbst zurückgeworfen. Hatte die Reise zu uns selbst auch Vorteile? Können neue Erkenntnisse ins Positive gewendet werden? Text: Josephine Hecht (Universität Konstanz), Sprecher: Samuel Merold (adk-Ulm)

08: wir: wohltäter

Was haben die Metal-Band Metallica und Immanuel Kant gemeinsam? Nur die Haarpracht oder auch ihre Weltanschauung? Im Video erfahrt ihr mehr! Text: Nico Schiele (Universität Konstanz) , Sprecherin: Leonie Hassfeld (adk-ulm)



wir: im Austausch

Die Initiatorinnen des Projekts Dr. Kerstin Bönsch (Wieland-Stiftung) und Dr. Sarah Seidel (Uni Konstanz) sprechen über Wielands Konzept des Weltbürgertums und dessen Anschlussfähigkeit in der Gegenwart. 

Kerstin Bönsch: Es ist kaum bekannt, dass Christoph Martin Wieland maßgeblich dazu beitrug, die Idee des Weltbürgertums zu befördern. Ich freu mich, dass wir das im Seminar zum „Kosmopolitismus“ und in diesem Projekt thematisieren konnten.

 

Sarah Seidel: Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, ‚es ist so einiges über Wieland kaum bekannt‘ und da ist es toll, dass ihr in der Wieland-Stiftung immer wieder Projekte anstoßt, die den unbekanntesten unter den Klassikern ins öffentliche Bewusstsein rücken.

 

Kerstin Bönsch: Wenn man sich dann mit Wieland beschäftigt, staunt man, welches Konzept von Weltbürgertum der aus Biberach stammende Autor entwickelte. Schließlich hat er selbst niemals den deutschsprachigen Raum verlassen.

 

Sarah Seidel: Das ist interessant, ja. Vor allem, weil seine Gesellschaftssatiren – ich denke zum Beispiel an die Aberiten, in denen er die Kleingeistigkeit der Gesellschaft nachzeichnet –, trotzdem messerscharf sind.

 

Kerstin Bönsch: In seinem Essay Das Geheimnis des Kosmopolitenordens entwirft Wieland eindrücklich das Bild einer Welt voller Staaten, die „als Zweige einer einzigen Familie“ fungieren. Kosmopoliten interessieren sich für das Wohl der gesamten Menschheit. Sie wollen das Gute in der Welt befördern und das Schlechte vermindern. Kosmopoliten gibt es in allen Teilen dieser Welt, ungeachtet der Hautfarbe oder Herkunft.

 

Sarah Seidel: … Als Kosmopolit wird man dann also geboren.

 

Kerstin Bönsch: Ja genau, und das Geheimnis ist, dass es gar kein Geheimnis gibt.

 

Sarah Seidel: Das stimmt. Wieland wendet sich hier gegen Geheimbünde, wie die Illuminaten oder die Freimaurerlogen. Ein wahrer Kosmopolit kann nicht gleichzeitig Mitglied in einem Geheimbund sein. Am Ende seines Lebens tritt er dann aber doch selbst in die Freimaurerloge in Weimar ein, den Treffen bleibt er aber meistens fern.

 

Kerstin Bönsch: Wieland stellt sich nicht nur gegen Geheimbünde, sondern vor allem gegen Gewalt. Ein Kosmopolit soll sich also zwar für humanitäre Ideen einsetzen und auch widersprechen und Verstöße dagegen bekämpfen. Aber er darf eben nicht selbst zu gewaltsamen Mitteln greifen.

 

Sarah Seidel: Mehr noch: Man könnte den 1788 erschienenen Text auch als Vorausdeutung der Ereignisse in Frankreich lesen. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – diese Ideen werden dort am Ende mit Gewalt durchgesetzt. Wielands Idee von Weltbürgertum beruht auf einer gewaltfreien, organischen Entwicklung. Die einzige Waffe ist die Vernunft.

 

Kerstin Bönsch: Ja, und wenn wir uns fragen, was er mit Vernunft meint, dann sind wir bei einem Ansatz, der meines Erachtens zeitlos ist: Vernunft ist ein höherer Grad des Verstandes. Und somit steht Wielands Konzept eines Weltbürgertums vollends im Licht der Aufklärung, nämlich: „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, wie es bei Immanuel Kant heißt.

 

Sarah Seidel: Eben: Wenn wir das auf unser Projekt übertragen, kann man sagen ‚Aufklärung ist ein nie endender Auftrag‘.

 

Kerstin Bönsch: Ja, von daher danke ich dir für die Zusammenarbeit mit der Wieland-Stiftung in diesem gemeinsamen Projekt: Schließlich ging es nie allein darum, nur Wielands Gedanken bekannter zu machen, sondern auch darum zu überlegen, was davon heute noch trägt.

 

Sarah Seidel: Es ist immer interessant, die Gegenwart historisch rückzubinden und ich freue mich sehr, dass die Studierenden bereit waren, ihre Gedanken dazu und ihren Blick auf die Welt und die Gesellschaft mit uns zu teilen. Ich bin aber auch schon sehr gespannt darauf, mit Menschen ins Gespräch kommen, die über unsere Videos vielleicht eine neue Perspektive erhalten.

 

 

Kerstin Bönsch: Für nächstes Frühjahr planen wir gemeinsame Pop-Up-Diskussionen in Schulen, Hochschulen und anderen Orten, an denen sich Menschen begegnen. Doch coronabedingt müssen wir uns vorerst mit digitalen Gesprächen begnügen. Wir freuen uns daher über Kommentare, Fragen und Anregungen zu unserem Projekt. 



Wir: Im Gespräch

Hinterlasst uns gerne eure Gedanken und Anregungen zum Projekt!

Kommentare: 1
  • #1

    Selina (Dienstag, 30 November 2021 17:03)

    Ein passendes Projekt für die Adventszeit: Nachdenken hat noch keinem geschadet! :-)


Das Projekt wird unterstützt von:

  • Bruno-Frey Stiftung
  • Deutsche Schillergesellschaft 
  • Stiftung BC - gemeinsam für eine bessere Zukunft der Kreissparkasse Biberach
  • Universität Konstanz
  • Akademie für darstellende Kunst Ulm (adk-ulm)


Produktion der Videos

Für die künstlerische Umsetzung der Videos danken wir der Agentur 2einhalb!
https://2einhalb.de/