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Herders in Love

Es sind Briefe der Empfindsamkeit zwischen Karoline Flachsland und dem Schriftsteller und Philosoph Gottfried Herder (1744-1803). Es sind aber auch Briefe, die die Bedingungen einer späteren Verbindung ausloten. Karoline Flachsland schreibt zielstrebig, um Herder zur Hochzeit zu bewegen, denn Herder bleibt lange Zeit unverbindlich. 1773 heiraten die beiden schließlich, nachdem Karoline Flachsland ihn vor vollendete Tatsachen stellte. Nach seinem Tod schreibt sie eine Biografie über ihn und gibt redigierte und bearbeitete Schriften von ihm heraus.


Karoline Flachsland an ihren späteren Ehemann Gottfried Herder, 1772

 

Ich lehne mich an deine redliche Brust, und mein Herz kann nichts als weinen. Heute deinen dritten Brief, Engel meines Lebens! Ich zerfließe fast in Tränen. Ach, was bin ich, armes Mädchen, dass du mich so lieb hast! Was wird aus mir werden, wenn ich einmal bei dir sein werde, auf deinem Schoß, an deiner Engelsbrust, dich selbst hören, lieben, über alles in der Welt lieben werde! Wie kann ich, wie werd´ ich das fassen! Du, du mein Herder, wirst mir Leben und Seligkeit und Himmel und neue große Seele geben – aber ich dir nichts als gute, treue, ganze Liebe. Wie bange wird mir oft über mein Nichts! Du machst dir ein ganz anders Bild aus mir, als du finden wirst, und wie wird´s dann sein? Ich denke immer furchtsam und freudig schauernd an unser Wiedersehen. Ewiges Band von treuester Liebe – edlem Leben und Würdigkeit! O Gott, bin ich das wert? Wert eines solchen himmlischen Lebens? Es geht über all mein Denken und Hoffen! Ich kann nichts davon reden; es ist nichts, und deine Briefe, edelster Jüngling, sind alles was Himmel und Elysium heißt. Hier sind meine leeren, schwachen, verlangenden Arme, die ich tausend Mal des Tags nach dir ausstrecke und um deinen Hals werfe und die jeden Baum, der mir Schatten und Freude gibt, für dich, mein Einziger auf der Welt umfassen. Oh, wie wird mir´s sein, Dich wiederzusehen, Dich selbst zu umfassen!

Dein ganzes edles, erhabenes Herz in meinen Armen! Wie wollen, werden und können wir einst zusammenleben, wenn du mich erst durch deine Gegenwart und Aufmunterung neu geschaffen hast! Gott wird dein edles Herz belohnen! Ich kann nichts als niederknien und für dich beten. Aber meine Kräfte will ich anwenden, dich zu lieben; nicht Süßeres ist für mich auf der Welt. Oh, ihr goldenen Träume, wann werdet ihr erfüllt? Wann können Sie sich einmal aus Ihrer traurigen Öde und Lage (mein Herz bricht mir, wenn ich an Ihren einsamen Zustand in Bückeburg denke) losreißen, um uns nur wenigstens einige Tagen zu sehen, zu sprechen! Wie viel hätten wir uns zu sagen und – sehen

musst du mich noch zuerst und dein Herz prüfen, ob ich dir denn auch noch gefallen kann, wenn ich sichtbar um dich bin. Ach Gott, das erwarte ich wie ein Todesurteil. Können sie künftiges Frühjahr herkommen, uns nur zu sprechen, liebster, einziger Freund? Von unserer künftigen, glückseligen Hütte, von unserer Liebe, von unserem ewig treuen Bande, was hätten wir da zu sprechen und holten neuen Mut und Hoffnung in unsere Arme und Herz! Wenn du es möglich machen kannst, so komme, holder, süßer, einziger Freund, nach dem trüben Winter zu mir. Ach, wie lang wird mir der Winter werden! Zumal dich so einsam zu denken! Oh, wär´ es doch vorbei und wir könnten zusammen in einem neuen Leben wandeln! Doch wirst du auch künftiges Frühjahr kommen können? (…) Hoffen wir und werden nicht müde, uns zu lieben; wie groß und köstlich wird einmal unser Leben sein! Mein Lohn unendlich groß! –


Weitere Infos zu Johann Gottfried Herder

„Wie Schatten auf den Wogen schweben und schwinden wir 
und messen uns’re trägen Tritte nach Raum und Zeit
und sind (und wissen’s nicht) in Mitte der Ewigkeit.“

 

(aus Amor und Psyche auf einem Grabmal von Johann Gottfried Herder, 1796)

 

Infos zu Johann Gottfried Herder gibt es hier.

 


liebe und ehe im 18. Jahrhundert

Heutzutage ist es für uns normal, aus Liebe zu heiraten. Doch im 18. Jahrhundert war die so genannte "Vernunftehe" noch die Norm. Man heiratete aufgrund von sozialem Status, Vermögensverhältnissen und religiöser Zugehörigkeit.  Während man jedoch das Fremdgehen des Ehegattens im 18. Jahrhundert als Bagatelle ansah, begegnete man ‚gefallenen‘ Frauen mit Verachtung. Besonders Frauen betrachteten diese Frauen mit Verachtung und grenzten sie aus. Darüber hinaus gab es eine klare Rollenzuschreibung im Bildungsbürgertum: In den 1770er und 1780er Jahren wurde die Frau auf ihren Wirkungskreis als Hausfrau, Mutter und Ehefrau beschränkt. Galt die Frau bis dahin in Folge von Evas Erbsünde als Verführerin des Mannes, so wird gegen Ende des 18. Jahrhunderts die sexuelle Lust des Mannes in den Fokus gerückt und die Frau zum sexuellen Opfer erklärt. Diese weibliche Viktimisierung ging einher mit der Annahme, die weibliche Natur sei sexuell passiver, zurückhaltender, feinfühliger und sittlich gefestigter als die des Mannes. Erst an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wird die 'romantische Liebe' zum vorrangigen Heiratsgrund.